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Heute würde ich anders entscheiden

Prinzipiell sei sie der Pränataldiagnostik (PND) ja positiv gegenüber gestanden, erzählt Martina im Buch „Aus dem Bauch heraus. Pränataldiagnostik und behindertes Leben.“ (Franz-Joseph Huainigg (Hg.), veröffentlicht 2010 bei Wiener Dom Verlag, ISBN: 978-3-85351-217-3).

„Mittels einer frühzeitigen Information, so fand ich, könne man sich auf etwaige Besonderheiten einstellen beziehungsweise darauf reagieren und dem Kind eventuell – je nach Diagnose – entsprechend helfen.“ Doch dann hätte eine Ultraschalluntersuchung, die sie eigentlich „als Standard“ empfunden habe, ihre Welt, ihre Empfindungen und auch ihre Überzeugungen komplett auf den Kopf gestellt. Der behandelnde Arzt erkennt bei ihrem Baby nämlich eine zu breite Nackenfalte, die oft ein Indiz für Trisomie 21, also das Down-Syndrom ist. Weitere Tests wurden angeordnet – darunter eine Chorionzottenbiopsie (eine Entnahme kindlicher Zellen aus der Plazenta, meist unter Ultraschallkontrolle).

Nach quälenden Tagen des Wartens dann endlich der Befund: Es liege doch keine genetische Anomalie vor. Was nun? Unsicherheit war die logische Folge nach den widersprüchlichen Aussagen. Martinas Gynäkologe riet weiterhin zu einem Abbruch der Schwangerschaft.

RATIONAL SPRACH ALLES GEGEN DAS KIND

Und Martinas persönliches Umfeld? Ihre Eltern zeigten Anteilnahme, die Schwiegereltern waren betroffen, meinten aber, dass es besser sei, früh diese Sicherheit zu haben, damit man noch etwas unternehmen könne. Ähnlich reagierten die Freunde. Für Martinas Mann war schnell klar, dass ein behindertes Kind für ihn nicht in Frage kommt.

„Es ging nicht darum, ob abgetrieben werden sollte“, sagt Martina: „sondern nur darum, wann. Es war eine schlimme Zeit.“

Schwierig war für sie vor allem, dass sie den Eindruck hatte, um das Kind nicht kämpfen zu können, da sie finanziell nicht abgesichert war: „Rational sprach alles gegen das Kind, emotional wollte ich es.“ Generell fühlte sie sich sehr allein.

UNSICHERHEIT IST BELASTEND

Vor allem aber die Unsicherheit – „was die zu breite Nackenfalte für das Leben, den Alltag meines ungeborenen Kindes bedeuten würde, wusste ich immer noch nicht“ – belastete sie sehr. In einem Krankenhaus versuchte sie, im Rahmen eines Beratungsgespräches und einiger weiterer Untersuchungen Gewissheit zu bekommen. Von den Ärzten vor Ort hieß es zunächst, sie könnten keinerlei Prognose abgeben. Eine Krankenschwester fand schließlich Martina gegenüber klare Worte und riet ihr zum Abbruch. Auch ihr Gynäkologe blieb bei seiner ersten Empfehlung.

Schließlich entschied sich Martina für den Abbruch der Schwangerschaft. In der 17. Schwangerschaftswoche wurde er durchgeführt. Drei Tage lang bekam sie Infusionen mit Wehenmitteln, bis das Kind, ein Bub, auf die Welt kam. Da es ihr körperlich gut ging, wurde sie schnell wieder nach Hause entlassen. Das Krankenhauspersonal drückte ihr noch ein paar Zettel mit Adressen von Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen in die Hand. „Kein Arzt nahm sich die Zeit, mich zu fragen, wie es mir seelisch ging; wie schon vorher stand ausschließlich die körperliche Befindlichkeit im Mittelpunkt.“

GEFANGEN ZWISCHEN UNTERSUCHUNG UND DIAGNOSE

Aus heutiger Sicht, sagt Martina, hätte sie sich gewünscht, dass die Ärzte offener mit ihr geredet hätten – im Vorhinein, wie im Nachhinein; dass sie sich näher mit ihr, der Betroffenen, und ihrer Entscheidung auseinandergesetzt hätten. Was bis heute geblieben ist, ist das Empfinden, dass sie sich aus Verzweiflung, bzw. als Folge ihres Gefangenseins in der „Untersuchungs-Diagnose-Maschinerie“ gegen ihr Kind entschieden hat. „Hätte ich die gleiche Entscheidung in meiner heutigen Situation zu treffen, würde ich mich für die Schwangerschaft aussprechen.“